Hohe Musikalität und emotionale Tiefe
07.01.2013 15:00
Hohe Musikalität und emotionale Tiefe - Festkonzert mit der jungen Pianistin Anna Tyshayeva begeistert
Die junge Pianistin Anna Tyshayeva hat beim Auftaktkonzert des Festprogramms in Marienmünster gespielt.
Westfalen-Blatt. Von Wolfgang Braun. Marienmünster.
Die junge, hierzulande noch recht unbekannte Pianistin Anna Tyshayeva ist am Freitagabend als Entdeckung gefeiert worden, als sie in der Auftaktveranstaltung zum Fest »20 Jahre Gesellschaft der Musikfreunde Marienmünster« (GDM) gespielt hat.
Der künstlerische Leiter des GDM-Programms, Hans Hermann Jansen, nannte Johann Sebastian Bach »den fünften Evangelisten«, als er ankündigte, dass Anna Tyshayeva - eine in der Ukraine geborene Pianistin - die Goldbergvariationen von Bach interpretieren werde.
Für die vielfach preisgekrönte, international auftretende Musikerin war dieses Konzert, wie sie im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT betonte, eine Premiere, weil sie die berühmte Bach-Komposition zum ersten Mal in einem Konzert aufgeführt hatte. »Diese Variationen führen ein Eigenleben. Je häufiger ich sie spielen werde, um so tiefer dringe ich in sie ein.«
Sie präsentierten den Zuhörern eine luzide Interpretation. Klar ließ sie die einzelnen Stimmen der sehr komplexen Komposition durch gekonnte laut-leise Modulation hervortreten. Ihr häufig perlendes Spiel erweckte den Anschein großartiger Leichtigkeit.
Auch das Tänzerische einiger der 30 Variationen brachte sie höchst anmutig zum Ausdruck. Dabei verlangt dieses Stückenorme technische Fertigkeiten, das Bach in einem von ihm selbst veranlassten Erstdruck von 1741 für ein »Clavicimbal mit zwei Manualen« und ursprünglich für den damals berühmten Cembalisten Johann Gottlieb Goldberg geschrieben hatte. In dem von der Künstlerin verwendeten Arrangement muss sie stellenweise mit gekreuzten Händen spielen.
»Das Klavier ist für mich alles. Das sind meine Träume, meine Gedanken. Das Klavier ist eine Möglichkeit, was man über die Welt, über die Menschen, über den Sinn des Lebens denkt, durch die Musik weiterzusagen«, hatte Anna Tyshayeva einmal in einem Fernsehinterview bekannt. Viel stärker noch als bei den Goldberg-Variationen kam diese Einstellung bei den Improvisationen auf das buddhistische Mantra (»Ich finde meine Zuflucht zu Buddha des ungehinderten Lichtes und unendlichen Lebens«) zur Geltung. Hier konnte die Pianistin ihre ganze Musikalität, ihren Einfallsreichtum und ihre emotionale Tiefe ausspielen. Inspiriert worden war sie durch eine Ausstellung mit Bildern buddhistischer und christlicher Motive von Dr. John Zhou aus Bad Pyrmont, der buddhistische Klangmeditationen zu Heilzwecken einsetzt. Die Ausstellung wurde am Samstag eröffnet.
Dr. Zhou, der Gesangsunterricht bei Hans Herrmann Jansen nimmt, sang zu ihrer Klavierbegleitung weitere Mantras und auch das
»Panis Angelicus« von César Franck.
Von diesem 1822 bis 1890 lebenden Spätromantiker stammen auch »Präludium, Choral und Fuge«, eine Stückfolge, die er als 62-Jähriger komponiert hatte. Die Verehrung für Johann Sebastian Bach lässt sich nicht nur in der Aufnahme der Tonfolge B-A-C-H, sondern auch in der Weiterentwicklung der bachÔschen Kunst der Fuge mit den Mitteln der Spätromantik erkennen. Hier lässt Anna Tyshayeva ihr Instrument geheime Geschichten erzählen, lässt es vor Schmerz klagen oder vor Freude jubilieren: eine pianistische Meisterleistung.
Abschließen und wohl zur Freude aller spielte sie Franz Liszts Bearbeitung von Franz Schuberts »Ave Maria« und dann ebenso voller Gefühl, schwebender Leichtigkeit aber auch virtuosem Raffinement als Zugabe Robert Schumanns - Franz Liszts Komposition »Widmung«.
Tosender Beifall.
Es wäre schön, wenn Anna Tyshayeva bald einmal wieder in der Ackerscheune spielen könnte.
Artikel vom 07.01.2013