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Die Poetin am Flügel
18.05.2012 20:59
Junge Pianistin zeigte sich als vollendete Liszt-Interpretin.
Anna Tyshayeva, anmutig, intelligent und mit hoher Ausdruckskraft
Mit einem herausragenden Konzert in der Villa zum Ausklang der Konzertreihe zum 200. Geburtstag von Franz Liszt setzte Anna Tyshayeva einen würdigen Schluss- und Höhepunkt mit Liszts H-Moll Sonate.
"Anna Tyshayeva verzückte die Besucher der Villa mit ihrem facettenreichen Spiel, von virtuos bis elegant. Die Preisträgerin vieler internationaler Klavierwettbewerbe spielte voll Natürlichkeit und mit tiefer Ausdruckskraft. Höhepunkt des Abends war der ca. 30-minütige Vortrag der Sonate in H-Moll von Franz Liszt. Diese Sonate wird zu einem der technisch anspruchsvollsten Stücke gezählt. Bevor sich Anna am Flügel niederließ, um in den "Faust-Stoff" einzutauchen, gab sie dem gespannten Publikum einige sehr interessante Hintergrundinformationen zu dem komplexen Werk. Sie erläuterte kurz und sehr lebendig den Inhalt und schlug das musikalische Thema des Mephisto sowie das Thema des Faust am Flügel an. "Mephisto klingt dunkel, böse und sarkastisch, kann sich aber in unheimlich schöne Melodien verwandeln", kommentierte Anna ihr Tun. "Franz Liszt hat seine Sonate in einem Satz geschrieben. "Sie symbolisiert ein Menschenleben und Liszt konnte den vielfältigen Stoff nicht in einzelne Sätze aufspalten",erklärte Anna. "Die Pausen spielen eine große Rolle, denn die Sonate beginnt mit einer Pause, in der Mitte befindet sich eine Pause und das Stück endet auch mit einer Pause," fuhrt Anna weiter fort. "Die philosophische Sicht auf diese Sonate zeigt ein Menschenleben vom Anfang bis zu seinem Ende irgendwo in der Ewigkeit. Die Pausen symbolisieren das "Vor dem Leben" und das "Nach dem Leben", in die die Sonate eingebunden ist, in die Ewigkeit. Die Frage nach der Ewigkeit bleibt unbeantwortet. Das Stück ist alt und weise und doch gleichzeitig jugendlich und aktuell." Nach diesem Stück an die Ewigkeit, fiel es schwer in die Realität zurückzufinden. Als Zugabe spielte Anna Tyshayeva eine Eigeninterpretation einer Arie von Bach (Stölzel) sowie ein Sonetto von Liszt und hinterließ ein sichtlich beeindrucktes Publikum. Es bleibt zu hoffen, dass wir diese lebendige, tiefgründige und sensible Pianistin mit ihrer besonderen Art, dem Publikum Klavierwerke näher zu bringen, wieder zu Gast in der Villa haben dürfen."
Sibylle Greißl-Hertrich, Rundschau Oberländer Wochenzeitung